Partners in Corona

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Text: Sabine Vaas


Beziehungen sind komplex. Krisen sind komplex. Corona ist komplex. Beziehungskrisen aufgrund der Coronakrise sind? Exakt. Nie war das Bedürfnis nach emotionaler Nähe und Freiraum größer. Ambivalente Gefühle, die den derzeitigen Zustand des intensiven Zusammenlebens oder der Isolation verschärfen. Die Corona-Krise spült das Beste und das Schlechteste der Menschen an die Oberfläche – das zeigt sich nicht nur am Klopapierregal im Supermarkt. Therapeuten*innen und Psychologen*innen beschreiben die momentane Situation als Stresstest für unsere Beziehungen. Was macht Corona nun also mit unseren Partnerschaften? Und worauf kommt es in Sachen Liebe und zwischenmenschlicher Kommunikation in diesen Zeiten besonders an?


Hilfe, es brennt!

Die Krise wirkt wie ein Brennglas: Sie lenkt den Blick punktgenau auf die Dinge, die in einer Beziehung nicht funktionieren. Das Befüllen des Geschirrspülers zum Beispiel. Kennt ihr, oder? "Nach 'lieben' ist 'helfen' das schönste Zeitwort der Welt", so Bertha von Suttner, österreichische Friedensforscherin. Und ja, ich genieße die intensive Zeit mit meiner Familie nach anfänglicher Skepsis, wie das wohl alles werden und was ich wohl alles kochen soll, tatsächlich. Meistens. Denn das Hineingedrängt werden in eine (traditionelle) Rollenverteilung führt auch hier oftmals zu Frust, der dann am Partner ausgelassen wird. Finanzielle Sorgen, Sorge um die Gesundheit der Eltern oder andere gefährdete, einem nahestehende Personen zehren an den Nerven, die dank kindbedingter "Mama"-Dauerbeschallung ohnehin schon dünn wie Pergamentpapier sind.

Kinder, nun redet doch miteinander!

Was wir unseren Kindern in Konfliktsituationen gerne raten, sollten wir unbedingt auch selbst anwenden. Ich selbst kenne fast nur Beziehungen, in denen beide Partner regelmäßig ihren Freiraum brauchen. Me-time auf Insta-Deutsch. Vor allem, wenn (kleine) Kinder im Spiel sind, möchte man gerne mal eine Runde aussetzen. Das geht nun nicht mehr – zumindest nicht so einfach. Mein konsequentes Schwanken zwischen "Oh, wie sehr ich euch liebe" und "Lasst mich doch mal nur für einen kleinen Moment in Ruhe" ist für meinen Partner sicher nicht unbedingt hilfreich; vor allem, wenn ich erwarte, er müsse diese beiden Extreme und all die Nuancen dazwischen via Telepathie erfassen.


Aber im Ernst, das Wichtigste, auch ohne Corona essentiell: die Kommunikation.
Bedürfnisse müssen klar ausgesprochen werden können – ohne, dass der Partner*in sich angegriffen fühlt.
Der eine braucht mehr Freiraum, andere wiederum kommen gut damit zurecht, wochenlang Freunde*innen und Familie nur über digitale Kanäle zu sehen.
Verständnis füreinander ist nun wichtiger denn je. Alle Gefühle sind erlaubt, auch negative Gedanken dürfen kommen – sollten dann aber weiterziehen dürfen, um zurückzukehren in den Moment, um bei sich zu bleiben.


Unbeschadet durch Krisen zu kommen, das können mein Mann und ich – das wusste ich schon vor Corona. Wir sind ein gutes und eingespieltes Team, aber ja, teilweise laufen auch wir nur im Funktionieren-Modus. Sich mit Wertschätzung zu begegnen, bewusst auf eine liebevolle Kommunikation zu achten, zärtliche Gesten im Alltag, all diese Dinge helfen uns, damit die Stimmung positiv bleibt. Eine große Portion Pragmatismus und Humor sind außerdem äußerst hilfreich. Und für mich persönlich: Im Hier und Jetzt bleiben, wenn die Unsicherheit hinsichtlich der Zukunft mir wiedermal eiskalt in den Nacken haucht.

Ich werde 24/7 gebraucht – und fühle mich dennoch nutzlos

Mein Mann arbeitet im Homeoffice. Vollzeit. Ich habe die Kinder. Vollzeit. War diese Entscheidung freiwillig? Nicht wirklich, wie bei so vielen. Dass Care-Arbeit wichtig und anstrengend ist, muss hier nicht explizit erwähnt werden. Die Herausforderung für mich: So zu tun als sei mein Partner nicht da, obwohl ich manchmal liebend gerne sagen würde "Geht doch mal zu Papa, damit ich (füge hier x-beliebiges To-do ein) machen kann". Für uns ist es dennoch das richtige Modell, es zeigt mir aber einmal mehr: Eine ausgeglichene, zufriedene Mama bin ich nur, wenn ich auch meinen Beruf ausüben kann. Um hier die Balance zu halten, sind beide Parteien gefragt. Vorwürfe à la "Du darfst wenigstens arbeiten" sind fehl am Platz – habe ich bereits für euch getestet. Ich entgehe dem Lagerkoller also nicht nur durch tägliche Ausflüge in den nahegelegenen Wald, mein Mann streut, sofern möglich, regelmäßig Urlaubstage oder Blocker unter Tags ein, sodass ich eine Auszeit habe: zum Nichtstun oder zum Arbeiten. Denn ja, mir fehlt – in diesen Tagen sogar mehr als sonst – die Bestätigung, die mein Job mir gibt.

Zwischentöne wahrnehmen und Hilfe anbieten

Natürlich wirft Corona auch Schatten auf Beziehungen. Nähe – und auch Einsamkeit –, die nicht selbst gewählt wurde, kann Spannungen erzeugen. Und sicherlich wird auch diese Krise dazu führen, dass Paare feststellen, dass es für sie nicht weitergehen kann. Werfe ich einen Blick nach links und nach rechts, sehe ich die verschiedensten Auswirkungen: Paare, bei denen es scheint, als wäre alles (harmonisch) wie immer – wo aber auch ab und an die Fetzen fliegen, ganz wie zu Prä-Corona-Zeiten. Paare, die noch am Anfang einer Beziehung stehen – und die nun, quasi im Schnelldurchlauf, verschiedene Stadien durchlaufen, wie zum Beispiel Zusammenziehen und Zusammenleben.


Paare, die vor Corona in der Ehekrise steckten – und sich nun wieder annähern und spüren: Wir gehören zusammen. In guten wie in schlechten Zeiten.

Neben den Paarbeziehungen gilt es aber auch das Augenmerk auf Freundschaften und andere Beziehungen zu lenken: Da ist zum Beispiel die Single-Freundin, deren Kurznachrichten von Tag zu Tag trister klingen. Der Freund, der eine Fernbeziehung führt oder der Kollege, der alleine im Homeoffice sitzt. Zwischen den Zeilen lesen, genau hinhören ist nun wichtiger denn je. In einer Ausnahmesituation wie dieser um Hilfe zu bitten, wird nochmal schwieriger. Gerade Freunden*innen, die alleine leben, sollten wir zeigen, dass wir trotz Social Distancing da sind, dass sie uns wichtig sind, wir uns für sie interessieren; denn die Angst vor Vereinsamung mag sich manch eine*r (auch aus Scham) vielleicht gar nicht eingestehen.

Den Blick auf das Positive richten

"Wo viel Licht ist, ist starker Schatten" schrieb Goethe einst – das gilt meiner Meinung nach in beide Richtungen: Denn auch in diesen Krisenzeiten gibt es positive Seiten. Zugegeben, an den weniger guten Tagen – und die haben wir alle – muss man sich wirklich bemühen, muss man genauer hinsehen oder gar eine Lupe zur Hand nehmen, um erkennen zu können, dass sich hinter der Dunkelheit bereits ganz zaghaft zarte Sonnenstrahlen nach vorne kämpfen. Aber sie sind da, die Lichtblicke: Plötzlich wird aus dem oft an der Oberfläche dümpelnden Smalltalk vor dem Kindergarten ein 5-stündiger Video-Call mit der Mama des Kindergartenfreundes, das bereits nach wenigen Minuten in die Tiefe und in medias res geht. Da werden keine Fassaden künstlich aufrechterhalten, man öffnet sich, teilt Gedanken, Sorgen – und kommt sich nahe, trotz Social Distancing. Eine Freundin erzählte, dass ihr Partner, seit sie beide im Homeoffice arbeiten, deutlich liebevoller ist, sowohl in der Kommunikation als auch mit Gesten – denn es ist einfach viel mehr Zeit füreinander da. Gemeinsame Mahlzeiten am Familientisch, Solidarität und Empathie füreinander, ein Wachstum der Wertschätzung dessen, was der andere im Alltag leistet, die Geschwisterbeziehung, die sich intensiviert – Dinge, die manchmal im viel zu lauten Alltagsrauschen wenig Priorität haben, können in der Krise wachsen. Es bedarf Übung und es ist ein Prozess, aber wer den "Positivity"-Muskel trainiert wird spüren, dass die Abstände zwischen den schlechten Tagen länger werden, sich dunkle Wolken schneller verziehen und die Hoffnung, dass alles gut wird, die Gedankenwelt bestimmt.

Aktion – nicht Reaktion

In der Krise einen Sinn zu suchen mag für einige erzwungen und zu gewollt erscheinen. Es kann aber auch ein guter Coping-Mechanismus sein, sein Mindset mit Positivität zu fluten und aktiv zu beeinflussen, wie wir diese Wochen, wohl eher Monate, er- und durchleben. Die Macht der Gedanken und die Eigenverantwortlichkeit, mit der wir unser Leben – und ja, dazu gehört auch das Meistern von Krisen – gestalten, ist eine Chance. Eine Chance, das Beste aus der Situation zu machen. Wer dazu (professionelle) Hilfe in Anspruch nehmen möchte, sollte das unbedingt tun, denn als soziale Wesen müssen wir nicht als Einzelkämpfer*innen durch Krisen navigieren. Gemeinsam sind wir stärker und überstehen auch die stürmischsten Zeiten.